Zweithaar bei Haarausfall – Interview mit Expertin Cornelia Hoffmeister-Gizzi

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Darauf kommt es bei einer Echthaarperücke an

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Zunächst bleiben immer mehr Haare in der Bürste, auf dem Kissen oder in der Dusche liegen. Das ist ganz normal und kein Grund zur Sorge. Schreitet der Haarausfall jedoch immer weiter voran, steckt bei vielen nicht etwa ein saisonaler Haarausfall dahinter, sondern z.B. erblich bedingter Haarausfall. Für Betroffene kann das sehr belastend sein, da Haare gerade für Frauen ein Markenzeichen darstellen. Behandlungsmethoden und Tipps gegen Haarausfall gibt es mittlerweile viele. Auch das Thema Zweithaar spielt bei Haarausfall durchaus eine Rolle. Frau Hoffmeister-Gizzi, Geschäftsleitung von GFH-Hair erzählt uns im Interview, worauf es bei der perfekten Perücke ankommt.

In welchem Stadium des Haarausfalls kommen Betroffene meist zu Ihnen? Was hat Betroffene zu dieser Entscheidung bewegt?

„Chemopatientinnen kommen in der Regel, wenn der Haarausfall in Folge der Chemotherapie beginnt und sichtbar wird. Wir empfehlen allerdings, bereits nach Kenntnis des Therapie-Plans mit dem Arzt auch mit dem Friseur Kontakt aufzunehmen. Der kann sich so einen Eindruck vom Naturhaar, seiner Farbe und der Frisur machen, die Patientin beraten und sie dann mit einer geeigneten Perücke fachlich und emotional begleiten – bis in die Phase der wieder wachsenden Haare hinein. Die haben ja erst einmal eine ganz andere, viel feinere Beschaffenheit.
Menschen mit Alopezie kommen, wenn der wachsende Leidensdruck zu groß wird oder es für andere Maßnahmen vielleicht schon zu spät ist. Wenn beispielsweise Frauen teilweise oder total die Haare ausgehen, ist das für sie eine Katastrophe. Sie verändern sich ja nicht nur äußerlich, sondern leiden vor allem auch seelisch. Ihr Selbstvertrauen, ihr Selbstwertgefühl schrumpft gegen null…
Leidensdruck haben auch Männer, wenn ihnen – oft bereits in den Zwanzigern – genetisch bedingt die Haare ausgehen. Sie mögen nach außen hin vielleicht anders mit dem Problem umgehen als Frauen, empfinden den Haarverlust aber als nicht weniger bedrückend. Volles Haar steht auch und gerade beim Mann für Vitalität, Attraktivität und Virilität.“

Sind es eher Männer oder Frauen, die sich für Zweithaar bzw. Haarteile interessieren?

„Auf Grund einer Chemotherapie, teilweiser oder totaler Alopezie sind vor allem Frauen auf Perücken und Haarintegrationen angewiesen. Aber auch die ‚Silver Generation‘, deren Haare dünner und schütterer werden, ist für einen kosmetischen Haarersatz bzw. eine Volumen-Auffüllung zunehmend aufgeschlossen. Seit der neuen Generation von Herren-Haarsystemen, die rein gar nichts mehr mit den Toupets alter Schule zu tun haben, und sicher und unsichtbar über Wochen getragen werden können, entscheiden sich auch immer mehr und immer jüngere Männer für Haarersatz.“

Ist es wichtig, zu Echthaarperücken zu greifen? Welche Unterschiede gibt es?

„Wer auf Grund einer Chemotherapie etwa nur für kurze Zeit eine Perücke benötigt, greift nicht zuletzt aus Kostengründen in der Regel zu Kunsthaar. Wird Haarersatz mittel- und langfristig wichtig, empfiehlt sich die Investition in Echthaar. Insbesondere bei langem Haar ab einer Länge von 30 cm ist Echthaar unbedingt zu empfehlen. Perücken aus Echthaar werden wahlweise aus behandeltem asiatischen oder aus noch anspruchsvollerem, gleichwohl immer seltenerem europäischen Haar geknüpft. Haarersatz aus Echthaar kann wie das eigene Naturhaar geföhnt, gelockt bzw. geglättet und auch gefärbt werden. Es fällt sehr natürlich und bei Haarintegrationen ergänzt es das noch vorhandene Resthaar optimal. Echthaar hat allerdings seinen Preis, dafür hält es länger als Kunstfasern – vorausgesetzt es wird sorgfältig und mit geeigneten Produkten gepflegt.“

Worauf muss beim individuellen Zweithaar geachtet werden?

„Eine Perücke muss sicher sitzen und dank entsprechend verarbeiteter Materialien (Montur) irritationsfreien und angenehmen Tragekomfort bieten. Die Stirn- und Frontansätze sollten transparent und unsichtbar sein, damit die Haare auch aus dem Gesicht gekämmt werden können. Die richtige Kopfgröße sollte gewählt, evtl. vom Zweithaar-Friseur vermessen werden. Haarersatz aus Echthaar kennt, was Farben und Nuancierungen angeht, heute nahezu keine Einschränkungen mehr. Vorsicht ist bei der Haardichte angesagt, da ist oft weniger mehr. Zu viel Haar wirkt leicht unnatürlich. Ganz wichtig: Eine Perücke sollte auf jeden Fall nicht einfach ‚aufgesetzt‘ werden, sondern vom Friseur individuell eingeschnitten und zum Träger bzw. zur Trägerin passend gestylt werden!“

Wie pflegt man das Zweithaar/die Haarteile richtig? Worauf muss man im Alltag achten?

Kunsthaar behält ohne viel Pflegeanforderung auch nach dem kalten (!) Waschen – es ist nicht hitzebeständig – Form und Wellung. Es wird mit einem speziellen, dafür geeigneten Shampoo gewaschen und an der Luft getrocknet. Wir empfehlen eine Haarlänge bis ungefähr Kinn – ab Schulterlänge sollte die Kundin zu Echthaar greifen: Die Bewegung längerer Haare erzeugt Reibung und diese wiederum Hitze. Dem sind die Kunstfasern nur sehr begrenzt gewachsen. Haarersatz aus Echthaar kann und darf wie eigenes Haar gewaschen, umgeformt und gestylt werden. Auch dafür gibt es speziell geeignete Reinigungs- und Pflegeprodukte. Allerdings ist im Umgang mit jedwedem Haarersatz – und natürlich vor allem mit hochwertigem Echthaar – Umsicht und Sorgfalt geboten: nicht rubbeln, ziehen, reißen o.ä. Sonst verliert das Haarteil vor der Zeit mehr der eingestochenen oder eingeknüpften Haare, als ihm guttut.“

Warum ist Haarersatz noch immer ein Tabu-Thema bzw. etwas, wofür sich viele vielleicht schämen?

„Haarersatz hat jahrzehntelang viel zu unnatürlich ausgesehen und sich – aus heutiger Sicht – sein damals schlechtes Image redlich verdient.
Perücken und Toupets haben wie ‚aufgesetzt‘ gewirkt und konnten oft für einen sicheren Sitz nicht garantieren. Modernes, zeitgemäßes Zweithaar hat damit nur noch den Namen gemeinsam. Gut gemachter Haarersatz wird heute gar nicht mehr als solcher erkannt. Vielleicht hält sich gerade deshalb noch immer das ‚Tabu‘ bzw. das negative Image. Sieht man’s, ist‘s schlecht – die gelungenen Beispiele sieht man einfach nicht.“